Friedrich Merz hat die israelische Regierung wegen ihrer militärischen Aktionen in Gaza so stark kritisiert wie kein deutscher Bundeskanzler zuvor. Wo führt dieser Kurs hin?
In der deutschen Politik hat noch niemand, insbesondere kein CDU-Politiker, eine derartige Kritik an Israel geübt. Merz äußerte, dass die israelische Regierung keine Maßnahmen ergreifen dürfe, die von ihren engsten Freunden nicht mehr akzeptiert werden könnten. Die Aussage, dass die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsraison ist, stammt von Angela Merkel, die dies während eines Staatsbesuchs in der Knesset verkündete. Jetzt stellt ein CDU-Bundeskanzler diese außenpolitische Grundsatzentscheidung in Frage.
Merz geht in seiner Bewertung der humanitären Situation in Gaza weiter als die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, die bereits für ihre Kritik an der israelischen Regierung hinsichtlich unzureichender Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung heftig angegriffen wurde. Auch Johann Wadephul, der außenpolitische Sprecher der CDU, hat mittlerweile Bedenken geäußert, ob die Bundesregierung weiterhin Waffen an Israel liefern sollte.
Die Entscheidung über diese Waffenlieferungen liegt beim Bundessicherheitsrat. Historisch betrachtet haben deutsche Waffenlieferungen an Israel eine besondere Regelung, die in den 1950er Jahren begann und faktisch eine Ausnahme vom Kriegswaffenkontrollgesetz darstellt, das Lieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete verbietet.
Merz hat klargestellt, dass Deutschland an der Seite Israels bleiben möchte, doch seine Äußerung impliziert, dass diese Unterstützung nicht garantiert ist. Dies könnte die bisherige Sonderstellung Deutschlands in der Israel-Politik relativieren. Merz positioniert sich als außenpolitischer Bundeskanzler und hat in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD durchgesetzt, dass die Union die Kontrolle über die Außenpolitik hat.
In der gegenwärtigen politischen Landschaft ist die Distanz zu Israel größer als je zuvor. Länder wie Spanien, Norwegen und Irland haben bereits öffentlichere Sympathien für die Palästinenser gezeigt, während auch Frankreich, Großbritannien und Kanada sich in dieser Richtung bewegen. Dabei geht es nicht nur um Waffenlieferungen, sondern auch um die Anerkennung eines palästinensischen Staates, die von früheren deutschen Regierungen vermieden wurde.
Bei der Eröffnung der republica, einer Digitalmedienmesse in Berlin, stellte Merz fest, dass die israelische Regierung beim Vorgehen gegen die Hamas den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet und somit internationales Recht verletzt. Das Leid der Zivilbevölkerung könne nicht mehr mit dem Kampf gegen den Terror gerechtfertigt werden.
Innerhalb der SPD wächst die Kritik an Israel kontinuierlich. Isabel Cadematori, eine Verkehrspolitikerin, forderte auf der Plattform X, die Waffenexporte nach Israel auszusetzen, um sich nicht an vermeintlichen Kriegsverbrechen zu beteiligen. Dies stellt einen weiteren Schritt in der Rhetorik dar, die möglicherweise zu schwerwiegenderen Vorwürfen führen könnte.
Die CDU hat Schwierigkeiten, eine klare Linie in ihrer Politik gegenüber Israel zu finden. Während Merz und Außenminister Wadephul klarere Aussagen treffen, sprechen andere Parteifreunde wie Armin Laschet und Wolfram Weimer von diplomatischen Differenzen, die man „unter Freunden“ klärt.
Die Stellungnahmen von Merz und Wadephul deuten auf eine Annäherung der deutschen Regierung an die in Europa wachsend kritischen Stimmen gegenüber Israel hin. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass Israel seine Politik signifikant durch den Druck europäischer Länder beeinflussen lässt. Historisch betrachtet hat Israel sich stets auf die Unterstützung der USA verlassen.
Die israelische Regierung ist sich ihrer strategischen Lage bewusst und verfolgt eine Politik, die auf Selbstständigkeit ausgerichtet ist, um im Angesicht von Feinden bestehen zu können. Diese Haltung ist Teil der historischen Erfahrung des jüdischen Volkes.