In Juni 2025 wird im malerischen Dorf Schengen eine große Feier stattfinden. Schengen befindet sich in der südwestlichen Ecke des kleinen europäischen Landes Luxemburg, wo der Fluss Mosel die Grenze zu Deutschland und Frankreich bildet. An diesem Dreiländereck wurde am 14. Juni 1985 auf dem Schiff "Marie-Astrid 2" ein bedeutendes Abkommen unterzeichnet. Minister aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Deutschland legten den Grundstein für die heutigen Regelungen über den freien Personenverkehr ohne Grenzkontrollen. Diese Vereinbarung bildete die Basis für die mittlerweile 25 Länder umfassende Schengenzone, zu der auch Norwegen, die Schweiz, Island und Liechtenstein gehören. Die EU-Kommission bezeichnet den kontrollfreien Reiseverkehr als eine der größten Errungenschaften der europäischen Integration.
Allerdings könnte der Glanz dieser Errungenschaft durch die Entwicklungen der letzten Jahre stark verblassen. Luxemburgs Innenminister Leon Gloden äußerte sich kritisch gegenüber den Nachbarländern, die aufgrund eines Anstiegs der Migrantenzahlen wieder Grenzkontrollen eingeführt haben. "Für Luxemburg ist das nicht tragbar", erklärte Gloden während eines Treffens der Innenminister. "Schengen ist eine der bedeutendsten Leistungen der EU. Wir dürfen nicht zulassen, dass Grenzen wieder im Bewusstsein der Menschen verankert werden."
Das Jahr 2024 hat sich als das Jahr mit den häufigsten Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums seit dessen Gründung vor fast 40 Jahren herausgestellt. Deutschland, das wichtigste Transitland der EU, hat an allen Landgrenzen zu seinen neun Nachbarn wieder Kontrollen eingeführt, was eine nie dagewesene Maßnahme darstellt. Bereits seit 2015 gibt es Kontrollen an der deutschen Südgrenze zu Österreich, um Migranten, die über die Balkanroute reisen, abzuschrecken. Auch Frankreich hat seit 2015 wieder Grenzkontrollen eingeführt, vor allem aus Sicherheitsgründen, jedoch nur sporadisch.
An den Binnengrenzen werden ausländische Personen abgewiesen, die keine gültigen Dokumente besitzen oder wegen früherer Verstöße mit einem Einreiseverbot belegt sind. Wer an der Grenze einen Asylantrag stellt, darf vorläufig einreisen und wird in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Eine sofortige Abweisung aller Asylsuchenden ist nach europäischem Recht nicht zulässig.
Kürzlich haben auch die Niederlande Kontrollen für Reisende aus Deutschland und Belgien eingeführt. Gleichzeitig haben die Innenminister beschlossen, Rumänien und Bulgarien ab Januar vollständig in die Schengenzone aufzunehmen, was die Kontrollen an den Landgrenzen in den südöstlichen Mitgliedsstaaten der EU aufheben wird. Die Kontrollen an Flughäfen wurden bereits im vergangenen Jahr beendet.
Das Europaparlament und die EU-Kommission betonen, dass systematische Personenkontrollen an den Binnengrenzen des Schengenraums lediglich als "absolute Ausnahme" und nur als "letztes Mittel" eingesetzt werden dürfen, wie es im entsprechenden Schengen-Grenzkodex festgelegt ist. Jedes Mitgliedsland kann jedoch für sechs Monate Grenzkontrollen einführen und muss die EU-Kommission mit einer fundierten Begründung darüber informieren. Diese Maßnahmen können im Extremfall auf bis zu drei Jahre verlängert werden, wobei die Begründungen oft kreativ angepasst werden müssen. Bislang hat die EU-Kommission keine formellen Maßnahmen gegen die Verletzung des Grenzkodex ergriffen, obwohl einige Staaten Kontrollen seit über einem Jahrzehnt aufrechterhalten.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser gab bekannt, dass die umfassenden Kontrollen an den deutschen Grenzen auf unbestimmte Zeit fortgeführt werden, bis die Zahl der ankommenden Migranten auf ein akzeptables Niveau gesenkt wird. "Solange die Zahlen in Deutschland so hoch sind, werden die Kontrollen bestehen bleiben. Der Schengenraum hat für die Bundesrepublik eine große Bedeutung, allerdings muss auch eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge erfolgen."
Faeser bezieht sich hierbei auf die EU-Regeln für Asylverfahren, die vorsehen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge in den Staaten aufgenommen werden, die sie zuerst betreten, also an den Außengrenzen des Schengenraums. In der Praxis geschieht dies jedoch nicht, da viele Migranten von Griechenland, Italien, Kroatien oder Spanien in nördlichere EU-Staaten wie Deutschland weiterreisen. Diese Personen sollen durch die Kontrollen an den Schengen-Grenzen gestoppt und nach Möglichkeit abgewiesen oder in das Land zurückgebracht werden, das sie zuerst betreten haben. Um dies zu erreichen, wurden neue Asylverfahrensgesetze beschlossen, deren Umsetzung jedoch erst in zwei Jahren erfolgen soll. Daher werden die Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen noch mindestens bis dahin bestehen bleiben.
Die tatsächlichen Auswirkungen der Personenkontrollen im Schengenraum sind umstritten. Die Bundespolizei, die bis zu 11.000 Beamte im Einsatz hat, verweist in ihren Statistiken auf Zehntausende von Personen, die unerlaubt einreisen wollten, wobei etwa die Hälfte von ihnen sofort abgewiesen wird. Die andere Hälfte stellt Asylanträge. Auch Schleuser konnten festgenommen und zahlreiche offene Haftbefehle vollstreckt werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) schätzt die Zahlen unerlaubter Einreisen und Abweisungen jedoch deutlich niedriger ein. Sie argumentiert, dass Kontrollen nur an größeren Straßen durchführbar sind, da Deutschland eine Grenzlinie von 7.000 Kilometern mit unzähligen Straßenverbindungen hat.
Die Polizei kontrolliert lediglich einen kleinen Teil der Autofahrer oder Bahngäste und beschränkt sich auf Stichproben, um großflächige Staus zu vermeiden. Diese Vorgehensweise ist eine klare Anweisung des Bundesinnenministeriums. Berichten aus den Niederlanden zufolge kam es jedoch an der deutschen Grenze zu Staus, die sogar zu tödlichen Verkehrsunfällen führten. Manchmal werden Reisebusse aus Südeuropa auf den Autobahnen angehalten, doch viele Busfahrer wissen mittlerweile, wo die Kontrollen stattfinden, und weichen auf kleinere Straßen aus.
Magnus Brunner, der neue EU-Kommissar für Inneres und Migration aus Österreich, zeigt Verständnis für die wachsenden Grenzkontrollen. "Wir müssen die Sicherheit im europäischen Raum erhöhen, aber wir müssen uns an die rechtlichen Vorgaben halten. Es ist wichtig, dass wir daran arbeiten, die Außengrenzen besser zu schützen, damit die Menschen wieder das Gefühl haben, dass wir die Kontrolle darüber haben, wer einreist."
Ob dies bis zum 40. Jubiläum des Schengen-Abkommens im kommenden Jahr gelingt, bleibt fraglich. Dennoch plant Luxemburg, seine Rolle als "Wiege des grenzenlosen Europas" (wie Schengen sich selbst bewirbt) im kommenden Juni gebührend zu feiern, wie der Gemeinderat von Schengen, Tom Bellion, ankündigte.