In Moskau stehen derzeit vier Journalisten vor Gericht, darunter zwei ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Welle. Die russischen Behörden beschuldigen sie, Teil einer als extremistisch eingestuften Organisation zu sein. Diese Organisation ist die Anti-Korruptions-Stiftung, die vom mittlerweile verstorbenen Kremlkritiker Alexej Nawalny gegründet wurde. Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück und betonen, dass sie nicht für die Stiftung gearbeitet hätten, sondern lediglich über deren Aktivitäten berichteten. Am 13. März werden die Verteidigungen der Angeklagten Antonina Krawzowa, Artem Kriger, Konstantin Gabow und Sergej Karelin erwartet, nachdem das Urteil möglicherweise bereits kurz darauf gefällt wird. Ihnen drohen bis zu sechs Jahre Haft. Das Menschenrechtsprojekt Unterstützung für politische Gefangene, Memorial, stuft die Journalisten als politische Gefangene ein.
Der Prozess findet hinter verschlossenen Türen statt, was die Berichterstattung erschwert. Dennoch stehen die inhaftierten Journalisten mit der Außenwelt in Kontakt, indem sie Briefe schreiben.
Bis Ende 2024 war Antonina Krawzowa als Schauspielerin in Theater und Film aktiv. Mit dem Ausbruch des umfassenden Kriegs gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 wechselte sie zur Gerichtsberichterstattung und berichtete über Verfahren gegen politische Gefangene, darunter auch Alexej Nawalny. Krawzowa war die letzte Journalistin, die Nawalny kurz vor seinem Tod im Gefängnis interviewen konnte. Sie ist überzeugt, dass die russischen Behörden für seinen Tod verantwortlich sind. Nawalny starb im Februar 2024 unter mysteriösen Umständen im Alter von 47 Jahren in einem Straflager in der Arktis.
Artjom Kriger war ebenfalls für das unabhängige Medium SOTAvision tätig, das über Menschenrechtsverletzungen in Russland berichtet. Er wurde im Juni 2024 festgenommen, nachdem ihm vorgeworfen wurde, an Straßenbefragungen und Filmaufnahmen beteiligt gewesen zu sein. In einem Brief an einen DW-Journalisten beschreibt er die harten Bedingungen im Gefängnis, bleibt jedoch optimistisch und ermutigt Menschen in Russland, für ihre Freiheit zu kämpfen.
Konstantin Gabow arbeitete zuvor als Produzent für Reuters und als Reporter für Radio Liberty. Er wurde im April 2024 festgenommen und wegen angeblicher Beteiligung an einer extremistischen Gemeinschaft angeklagt. In seinen Briefen beschreibt Gabow die langsame Zeit im Gefängnis und klagt über die Überbelegung seiner Zelle. Nach Berichten über die Bedingungen wurde er in andere Zellen verlegt, wo er nach drei Monaten zum ersten Mal wieder den Himmel und den Schnee sehen konnte. Trotz der widrigen Umstände bewahrt Gabow seinen Humor und berichtet von kleinen Freuden, die ihm im Gefängnis ein wenig Glück bringen.
Sergej Karelin wurde Ende April 2024 in der Region Murmansk festgenommen und beschuldigt, Mitglied einer extremistischen Gemeinschaft zu sein. Auch er war in der Vergangenheit für die DW tätig und hatte zahlreiche Berichte über Strafkolonien verfasst. In einem Brief an die Nowaja Gaseta äußert er, wie herausfordernd es ist, die Moral im Gefängnis aufrechtzuerhalten. Karelin nutzt die Zeit für Tagebuchaufzeichnungen, Schachspiele und das Beantworten von Briefen. Er hofft, eines Tages wieder mit seiner Familie vereint zu sein und fürchtet, dass er seine Großeltern nicht mehr sehen kann.
Juri Rescheto, früher Leiter des Moskauer Büros der DW und jetzt in Riga tätig, erinnert sich gerne an die Zusammenarbeit mit Gabow und Karelin. Er beschreibt ihre Leidenschaft für den Journalismus und glaubt fest daran, dass ihre Verhaftungen belegen, wie schwierig es ist, in Russland unabhängig und ehrlich zu berichten. Rescheto betont, dass die journalistischen Standards und die Ethik, die das Fundament ihrer Arbeit bilden, in der aktuellen Situation extrem gefährdet sind.
Die Schicksale dieser Journalisten stehen symbolisch für die Herausforderungen, mit denen viele in Russland konfrontiert sind, die sich für Wahrheit und Transparenz einsetzen.